Introducing

freiheit, funk und friedl

Ekke Hager flieht als „Friedl“ zum dritten Mal von Nord nach Süd über die Berge. Seine Taschen sind leer, aber der Rucksack doch recht voll. Vor der gewaltigen Naturkulisse müssen Requisiten, wetterfeste Ausrüstung und technisches Equipment von einem Schauplatz zum nächsten transportiert werden. Und zwar immer einige Schritte schneller als die Mitwanderer.

„Das Hochmoor, die Steilhänge, Geröllhalden und reißenden Gletscherbäche, die unzähligen Pflanzen im fantastischen Farbenspiel,“ schwärmt Ekke Hager. „Wir können ja davon ausgehen, dass die Natur, die Umgebung genau so war, wie wir das heute vorfinden. Den Friedl am Originalschauplatz von 1416 zu spielen ist für mich eine bereichernde Erfahrung. Es ist leicht, die vorhandenen Hinweise auf das Heute auszublenden. Die spürbaren Traditionen hieven dich in ein ganz besonderes Zeitempfinden.“

Ungeachtet all dieser Natur wäre das Wandertheater ohne moderne Funktechnik so nicht möglich. Durch die kleinen Ohrknöpfe kann der Zuschauer sehr nahe an den Darstellern sein indem er mithört, was in großer Entfernung gesprochen wird, er Dialoge und Musik empfängt. Wie ein unerkannter Beobachter, bevor er wieder physisch nahe kommt und inmitten des Geschehens ist. „Mit der Sprache - dem Ötztaler Dialekt, von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe ernannt - kommt noch ein besonderer Reiz und eine Herausforderung hinzu. Über Jahrhunderte kaum verändert, fremd und doch vertraut“, so der gebürtige Vorarlberger, dessen Dialekt ähnlich weit von der Hochsprache entfernt liegt.

Wir spulen die Zeit etwas zurück: Ekke Hager und Hubert Lepka trafen in der Produktion Night Train (1988) im Auftrag der Liza Marcus Company Amsterdam und Szene Salzburg aufeinander. Mit ihnen im Boot auch Choreograf Beda Percht und der sie inspirierende Klangkünstler Zeter Zegveld. Im Jahr darauf kam das legendäre Stück 108 EB - Kammermusik für 4 Motoren & Bedienungspersonal heraus, das fast 25 Jahre nach der Uraufführung auch in Sölden aufgeführt wurde (übrigens mit dem originalen Bedienungspersonal: Hubert Lepka, Beda Percht, Ekke Hager, Ludwig Lepka).

Die Gründung von Lawine Torrèn ab 1992 verlangte nach einem sehr sportlichen Performer wie Ekke Hager: in 1161 - Panzerknacker (1994) meisterte er seine Choreografie auf einem fahrenden Zug. In Die Kraft aus dem Norden (1995) folgte ein Höllenritt auf einem laufenden BMW-Motor, aufgehängt auf einem Kran, der über das Dach des neuen Heizkraftwerks Nord flog. Ekke Hager reizt „dieses Zusammenspiel mit Maschinen, die ganz real und teilweise äußerst kraftvoll, natürlich auch gefährlich sind und somit eine hohe Aufmerksamkeit und Präzision im Tun erfordern.“ So auch in der Milleniumsproduktion Bridges als ein an der Salzach gestrandeter Aeneas, der den Kraftwerk-Mitte-Turm hochklettert oder in Taurus Rubens (2003) als Zeus, der auf einem Draken tanzt, an einem feuerspeienden Traktor in luftiger Höhe auf Mars zürnend. Es folgten Rollen in Teilung am Fluss (2005) für die Linzer Klangwolke, sowie 2006 Leviathan und Mars : 2068.

Mars : 20168, Laos (Ekke Hager) im Streit mit Kass (Marion Hackl) und Paris (Jeremy Xido) © Jürgen Skarwan

Mars : 20168, Laos (Ekke Hager) im Streit mit Kass (Marion Hackl) und Paris (Jeremy Xido) © Jürgen Skarwan

Gegen viele dieser Aufgaben klingt Friedl mit der leeren Tasche wie ein Spaziergang. Aber natürlich basiert auch hier jeder Schritt auf der Konzentration für den Moment, muss bewusst gesetzt werden. Eine Eigenschaft, die Ekke Hager ebenso liegt wie seine Abenteuerlust beim Spiel. Zeichnend dafür sind vielleicht seine beiden Rollen in Hannibal - Gletscherschauspiel (2001-2019), wo er als fliehender Aeneas scheinbar vom Himmel stürzt und später als mächtiger Traumdeuter auftritt. „In den Werken von lawine torrèn entstehen große Bilder: wuchtig bis poetisch. Wir spielen an wunderbaren Plätzen, zu denen man normalerweise kaum zutritt oder eine Aufenthaltsberechtigung bekommt. Meist sind diese Orte für etwas ganz anderes bestimmt als darin Theater zu machen, da aber zu verweilen und zu gestalten, das allein fasziniert mich.“

Ekke Hager bei den Proben zu "Friedl" mit Schafherde

Ekke Hager bei den Proben zu "Friedl" mit Schafherde

Abseits der Bühne lehrt Ekke Hager, der ursprünglich Sport in kombination mit Psychologie-pPdagogik-Philosophie studiert hat, an unterschiedlichen Institutionen und in verschiedenen Bereichen: am Schauspielhaus Salzburg, am Institut für Sport an der Universität Salzburg sowie als Trainer und Seminarleiter im Bereich lLadership und Teambuilding für Stucki (CH). Ekke Hager zählt als Spiraldynamik® Dozent zu den Pionieren der ersten Stunde und unterrichtet Yoga in der Tradition von B.K.S. Iyengar. Seit 2013 leitet er mit Eva Hager-Forstenlechner das Spiraldynamik® Yoga Center in Salzburg. Für die „Sommerpause“ kommt die Arbeit im Ötztal wie bestellt. „Ich bin während der Proben und Aufführungen immer wieder ergriffen von der Schönheit, der Kraft, der Gewalt und Sanftheit dieses Tales. Auch den Menschen, mit denen wir hier in Kontakt kommen, die uns mit ihrer herzlichen Art aufnehmen, uns unterstützen, die Teil des Projektes sind auch wenn sie nirgendwo oder schwer als solche aufscheinen, gilt mein Dank. An ganz bestimmte Bereiche deiner Persönlichkeit kommst du einfach nur oder viel schneller in der freien Natur.“  Darum: mitwandern. (Juni 2015)


 

Photos Ekke Hager


Short - Stein a.D.

© Stefan Aglassinger, music by Peter Valentin