Kunst stört kultur
Über die Beziehung von Kunst und Kultur aus einer Innenansicht
In einem traditionellen Verständnis scheiden sich Kulturen vertikal ab. Sie trennen sich an Landesgrenzen. In einem globalen Gefäß aber scheiden sich Kulturen horizontal ab. Sie trennen sich nach Schichten. Da diese Sedimentationen gleichzeitig ablaufen, haben wir ständig Ärger mit der Kultur.
Kultur entsteht aus der mit ihr korrespondierenden Kunst. Die gegenwärtige Kunst allerdings versucht, die Trennschichten zur Kultur und jene zwischen den Kulturen beständig aufzumischen, wieder durchlässig zu machen. Deshalb haben wir dauernd Ärger mit der Kunst. Damit ihr eine solche Grenzverschiebung gelingt, verfolgt die Kunst einer jeden Gegenwart verschiedene Methoden und Strategien.
1. Sie greift die eigene Kultur als verkrustet an. Die eigene Kultur kann jene des eigenen Landes oder jene der eigenen Schicht sein.
2. Sie greift die eigene Kultur auf und wendet sie an einem geeigneten Punkt durch Überraschung und Gegenüberstellung mit Fremdem um. Die eigene Kultur kann jene des eigenen Landes oder jene der eigenen Schicht sein.
3. Sie holt sich die Kultur eines fremden Landes oder einer fremden Schicht zu Hilfe, um die eigene Kultur zu unterminieren. Die eigene Kultur kann jene des eigenen Landes oder jene der eigenen Schicht sein.
4. Sie knüpft bewusst an die eigene Kultur an und versucht sie durch das Auffinden von Schwachstellen zu ertüchtigen, zu ergänzen. Die eigene Kultur kann jene des eigenen Landes oder jene der eigenen Schicht sein.
Gelingt ihr der Überraschungangriff auf vertrautem Terrain, ist sie erfolgreiche Kunst. Gelingt er nicht, richtet eine "Kultur der Kunst" über erfolglose Kunst durch Abscheidung.
Hubert Lepka
(Moosdorf, 21.6.2023)